Tagesgruppe und/oder Hort

Als wir noch auf dem Diagnoseweg waren, war unser Ältester für ein knappes dreiviertel Jahr in einer Tagesgruppe.

Wir waren sehr ratlos damals und verließen uns auf die Aussagen vieler, die meinten, dass es ihm gut tun würde und er über die dortigen sozialen Kontakte besser im schulischen Alltag zurecht käme.

Wir wussten schlicht nicht, dass es für ihn zu viel von allem bedeutete.

Wir haben, um ihm die Wahlmöglichkeit zu geben, ihn erst auf einer Freizeit der Tagesgruppe mitfahren lassen. Er kam von dort sehr ruhig und ausgeglichen zurück. Fünf Tage, in denen er viel Ruhe hatte und nur an grundlegenden gemeinschaftlichen Aktionen teilnehmen musste. Er hatte also viel Zeit für sich.

Als wir ihn fragten, ob er in Zukunft nach dem schulischen Alltag täglich dorthin gehen wolle, erinnerte er sich an die in der Freizeit verbrachte Zeit und meinte, dass das in Ordnung sei.

Aber so eine Freizeit ist was anderes als der Alltag in einer Tagesgruppe.
Und in Verbindung mit Schule wurde es für ihn unerträglich. Allein die Aktivitäten, wo er handwerklich gefordert wurde, taten ihm gut. Ich bekam einen Kerzenleuchter aus Schrott zusammengeschweißt, der mir gut gefällt.
Aber solche Aktivitäten waren selten.

Sein Alltag begann damit, um 6.30 Uhr das Haus zu verlassen und einen kompletten Schultag durchzustehen. Danach wurde er von der Tagesgruppe an der Schule abgeholt und kam irgendwo zwischen 17.30 und 18.00 Uhr nach Hause. Meist waren die Hausaufgaben nur ungenügend erledigt, was am nächsten Schultag unweigerlich zu weiterem Stress führte.
Die Fahrt zur Tagesgruppe belief sich auf 30 – 60 Minuten. Je nachdem welche Kinder noch wo abgeholt werden mussten.
Direkt nach der Ankunft in der Gruppe wurde zu Mittag gegessen, danach kam die Hausaufgabenzeit (wo eigentlich nur wichtig war, dass die Kinder sich in dem Raum aufhielten, wo gearbeitet werden sollte) und dann kamen Gesprächsgruppe, oder irgendwelche „therapeutischen“ Settings.

Er war also nie alleine, bekam keine Ruhezeiten; dies artete in Sozialstress aus.
Wenn er nach Hause kam, war er zudem so überdreht, dass er nicht zur Ruhe finden konnte. Sein Schlafverhalten in dieser Zeit war grauenvoll.
Ein Kreislauf von Nicht-Schlafen-Können, sozialer Stress, keine Ruhe bekommen/finden, Nicht-Schlafen-Können………. kam in Gang.

Mit Diagnosestellung Autismus beendeten wir die Tagesgruppe mit sofortiger Wirkung. Denn er war mittlerweile in einem Daueroverload angelangt, dessen Auswirkungen durch Medikamente gedämpft werden sollten. Nur das die Medikamente nicht halfen, dass er zur Ruhe fand.
Der Overload löste sich nicht auf, sondern „rumorte“ unter der Medikamentengabe.
Nach meinem Erachten ist es nicht möglich, eine massive Reizüberflutung und hohen sozialen Stress mit Medikamenten zu bekämpfen!

Nun ist es leider nicht unüblich, das gerade autistische Kinder in einer Tagesgruppe oder einem Hort untergebracht werden. Unabhängig davon, ob die Eltern berufstätig sind oder nicht.

Bei vielen Anbietern, gerade auch von Förderschulen, gehört der Hort bzw. die Tagesgruppe oder gar das Internat quasi zum festen Bestandteil ihres Konzeptes.

Diese Anbieter gehen davon aus, das Probleme in der sozialen Interaktion nur durch ganz viel soziale Interaktion gelöst werden können.

Sie sehen nicht, dass sie damit das Gegenteil erreichen. Und wenn die autistischen Kinder dann „quer“ gehen, reagieren sie mit Forderungen, bei denen mir regelmäßig schlecht wird.
Die einen fordern ein, dass das Kind Medikamente bekommt, um in die Impulssteuerung einzugreifen. Das aber gerade Autisten/-innen oft paradox auf solche Medikamente reagieren, ist entweder nicht bekannt oder wird verleugnet.
Es kommt nicht selten vor, dass die Einstellung auf Medi’s Monate in Anspruch nimmt und bis zu 10 verschiedene Wirkstoffgruppen ausprobiert werden.
Andere legen Eltern ein Formular vor, mit dem diese bestätigen sollen, dass das Kind im Overload, Shutdown oder gar Meltdown durch festhalten oder gar fixieren zur „Ruhe“ gebracht werden darf.

Der Grund für die vermehrten Ausbrüche, die leider auch schon mal zu selbst- bzw. fremdgefährdendem Verhalten führen können, werden nicht gesucht.

Das Kind ist falsch, benimmt sich falsch, passt sich nicht in die Gruppensituation ein und muss zum funktionieren gebracht werden. Dies ist zumindest mein Eindruck, der sich über die Jahre vertieft hat.
Im Zweifel, wenn die Eltern den geforderten Maßnahmen nicht zustimmen, muss das Kind die Tagesgruppe / den Hort verlassen. Im schlimmsten Fall wird über eine Noteinweisung in eine psychiatrische Klinik nachgedacht.
Und auch dort wird nur an dem Kind herumlaboriert und nicht nach den Gründen für das Verhalten geforscht.

Diese Art des Umgangs mit autistischen Kindern ist weit verbreitet. Und je „strenger“ eine Leitung / Institution ausgerichtet ist, um so gravierender sind die Forderungen von dort.
Über deren erzieherische Kompetenz sollte man meines Erachtens einmal verstärkt nachdenken.Je näher eine Institution dem behaviouristischen Ansatz steht, desto mehr Druck.

Ich halte es für sehr wichtig, dass Institutionen, die Tagesgruppen- oder Hortplätze für autistische Kinder anbieten, sich von erwachsenen Autisten beraten lassen.
Dass sie Ruheräume anbieten und flexibel Ruhezeiten gewähren.
Sie müssen sich auf die Bedürfnisse des autistischen Kindes einlassen und nicht Dinge einfordern, die dem Kind im Zweifel schaden.

Und das Einfordern von Medikamentengabe, bzw. die Forderung nach Billigung von Methoden die an die Festhaltetherapie erinnern gehören geächtet.