Begrifflichkeiten vs. Ideen

Ich hatte gestern eine relativ lange Diskussion um einen Begriff.

Dieser Begriff ist ein Kunstwort, welches helfen soll den Blick auf das Kind zu verändern.

Die Idee, den Blick auf das eigene Kind zu verändern finde ich sehr gut.

Die Idee, darüber MIT dem Kind einen Weg zu finden statt GEGEN das Kind zu arbeiten, ist vernünftig.

Die Bedürfnisse  des Kindes erkennen zu lernen und wert zu schätzen ist wichtig.
Den Bedürfnissen des Kindes Raum zu geben ebenfalls.

Peggy hat meine gestrige Diskussion wohl zum Anlass genommen, diesen Blogpost zu schreiben.
Er greift gut die Stimmungslage auf, wo wir derzeit in der modernen Erziehung stehen. Also den Widerspruch zwischen althergebrachter Erziehung, fußend auf Haarer, und modernen Strömungen wie zum Beispiel Attachment Parenting.

JA, die Entwicklung weg von „das Kind schreien lassen, bis es vor Erschöpfung einschläft“ ist wichtig. Und da ist noch sehr viel Arbeit zu tun, wie die Diskussion um die „Elternschule“ bewiesen hat.

Der Begriff „gefühlsstark“ hilft Eltern, die verständliche Angst vor Auswüchsen in der Diagnostik haben, wie sie um den Fall Winterhoff sichtbar wurden.

Und ja, in vielleicht 50 Jahren ist die Inklusion in Deutschland so weit fortgeschritten, das frühe Diagnostik von Autismus oder ADHS nicht mehr diese Relevanz hat, wie sie sie für das heutige Schulsystem besitzt. Weiterlesen „Begrifflichkeiten vs. Ideen“

Morde an Behinderten … und dann?

Am Mittwoch den 28. April 2021 wurden vier Menschen mit Behinderung in Potsdam ermordet und ein Mensch mit Behinderung wurde schwerstens verletzt.

Diese Morde und Verletzungen geschahen in einer Einrichtung für MmB.
Das Oberlinhaus besteht bereits seit 150 Jahren.
Die Tatverdächtige ist eine Mitarbeiterin, die bereits seit 32 Jahren im Oberlinhaus arbeitete.

Nun gab es einiges an Berichterstattung zu dem Thema.

Aber das wenigste beschäftigte sich mit den ermordeten und verletzten Menschen.

Und um diese Menschen geht es doch dem Grunde nach, oder nicht?

Martina W.
Geboren 1990
Ermordet in ihrem Bett im Oberlinhaus am 28.4.2021

Christian S.
Geboren 1985
Ermordet in seinem Bett im Oberlinhaus am 28.4 2021

Lucille H.
Geboren 1978
Ermordet in ihrem Bett im Oberlinhaus am 28.4 2021

Andreas K.
Geboren 1964
Ermordet in seinem Bett im Oberlinhaus am 28.4 2021
Weiterlesen „Morde an Behinderten … und dann?“

Bedürfnis vs Wunsch

Wo zieht man da die Grenze und wer definiert die Grenze?

Und ist es wirklich Luxus seine Bedürfnisse zu benennen?

Mal ganz rudimentär gedacht, jeder hat bei Hunger das Bedürfnis zu essen.
Und wenn nicht gerade eine Hungersnot herrscht isst doch wohl jeder das, was er mag bzw. ertragen kann.

Wir reden hier ja nicht davon, dass jemand Austern und Kaviar benötigt um satt zu werden.
Aber doch davon dass sich niemand etwas reinwürgen muss, was Würgereflexe auslöst. Weiterlesen „Bedürfnis vs Wunsch“

Wertschätzung der Menschen aus sozialen Berufen – was nach meiner Erfahrung damit gemeint ist


bzw was die ewige Forderung danach nach meinem Empfinden ausdrückt.

Wertschätzung, das Schlagwort schlechthin, mit dem die Stimme des Gegenübers abgewertet wird.
Mit der ewigen Forderung Menschen mehr wertschätzen zu sollen wird sachliche Kritik an einer ausgeführten Arbeit direkt auf die persönliche Ebene gezogen.
Menschen in sozialen Berufen sehen Kritik an ihrer Arbeit / einzelnen Taten sofort als Kritik an ihrer Person.

Warum das so ist?
Ich kann es mir nicht erklären.

Gehen Sozialpädagogen, Lehrkräfte, Erzieher, Heilerziehungspfleger und andere eigentlich grundsätzlich davon aus, dass nur sie wissen wie man zum Beispiel ein autistisches Kind erzieht und fördert?

Denken diese wirklich, dass durch eine abgeschlossene Ausbildung / ein abgeschlossenes Studium, was oft nur in kleinen Teilen Autismus behandelt, sie genau wüssten was autistische Kinder benötigen und was ihnen hilft?

Bei mir ist so oft der Eindruck entstanden, dass man uns Eltern behinderter Kinder, vor allem autistischer Kinder, erstmal unseren Platz zeigen und uns die Welt erklären müsste.

Wir werden mit Eltern, die ihre Kinder verwahrlosen lassen und sie zT sogar misshandeln auf eine Stufe gestellt.

Gerade Jugendämter haben ein enormes Problem damit, Familien die Eingliederungshilfe (SGB VIII §35a) beantragen NICHT nach den Maßstäben von Hilfe zur Erziehung (SGB VIII §27) gleichzusetzen und danach abzuurteilen.

Autismus wird zum Erziehungsproblem deklariert.
Viele Maßnahmen zielen darauf ab, das Kind von außen zu erziehen und zu formen.
Eltern bekommen eine SPFH (Sozialpädagogische Familienhilfe) aufgedrückt um organisierter mit dem autistischen Kind umzugehen.

Auch Therapeuten wollen gerne systemisch die Eltern auf Kurs bringen.
Aber selten wirklich so, dass der Umgang mit dem Kind erleichtert wird und mehr auf die Bedürfnisse des Kindes geachtet wird, sondern mehr in die Richtung, dass mehr auf das Außen gehört werden muss.

Gerne wird Eltern auch unterstellt, dass sie Gesetze falsch lesen würden und dementsprechend falsche Erwartungen an das Hilfesystem haben.

Uns wird unterstellt, dass wir die Belastung der Helfenden weder kennen noch sehen würden.

Nur, als Gegenpol dürfen wir die familiäre Belastung nicht erwähnen.
Tun wir es unvorsichtigerweise doch, dann wird sofort wieder darüber nachgedacht was WIR falsch machen.

Von uns wird Dankbarkeit und Kooperationsbereitschaft eingefordert

Wertschätzung ist nach meinem Empfinden nur eine weitere Vokabel um uns Eltern zu gängeln.

Wertschätzung ist verbunden mit Respekt, Wohlwollen und drückt sich aus in Zugewandtheit, Interesse, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit. „Er erfreute sich allgemein hoher Wertschätzung“ meint umgangssprachlich: Er ist geachtet/respektiert.

Da steht übrigens nichts davon, dass man die Arbeit einer wertgeschätzten Person nicht kritisieren dürfe.

Meine Eltern, die ich wirklich sehr geschätzt habe, habe ich auch kritisiert.
Klare Worte und sachliche Kritik dienen meines Erachtens dazu, Situationen von allen Seiten zu beleuchten um neue Wege FÜR DAS KIND zu finden.

Und bei uns geht es um mein Kind.
Dieses benötigt Unterstützung.
Denn es funktioniert nicht nach Schema F oder Plan a, b oder c.

Es braucht Abwandlungen.
Zielvorgaben müssen auch schon mal über Umwege erreicht werden.

Wege ergeben sich durch gute Zusammenarbeit und Hinweise sowie durch Kritik.

Ansonsten wird dem Kind ein Weg auferlegt, der aus einem riesigen Gebirge wie dem Himalaya besteht und den es ohne Sauerstoffgerät bewältigen soll.
Und wie schwierig eine Himalayabesteigung ist, dürfte jedem klar sein.

Wie erklär ich es meinem Kind (dass ich es öffentlich angreifbar gemacht habe)

Liebes Kind, Du bist Autist.
Die Diagnose hast Du am xxx erhalten.
Es war eine Erleichterung für mich.

Und dann habe ich begonnen in Foren und/oder auf SocialMedia mich darüber auszulassen, wie schwer ich es mit Dir und Deiner Diagnose doch habe.

Wohlgemerkt mit Dir.

Nicht mit den Behörden.
Nicht mit den Lehrkräften.
Sondern mit Dir. Weiterlesen „Wie erklär ich es meinem Kind (dass ich es öffentlich angreifbar gemacht habe)“