Was ein Schulbegleiter tun kann und meines Erachtens tun sollte!

Lösungen suchen und diese in Schule etablieren!

Was tun denn wir Eltern täglich, wenn wir die Hausaufgaben unserer autistischen Kinder begleiten?
Wir suchen Lösungen.

Wir sehen wo was schwierig ist und versuchen eine andere Herangehensweise beim Kind zu etablieren, damit das Kind sich um das Eigentliche – das Lernen – kümmern kann.

Beispiele aus dem Alltag:

  • das Kind ist in der Feinmotorik noch nicht so weit entwickelt, soll aber dem Alter entsprechend in kleinen Kästchen Zahlen notieren

Möglichkeiten
– rautiertes Papier
– große Kästchen wie für Erstklässer

Warum

weil das Kind sonst zu viel Zeit darauf verwenden muss saubere/lesbare Zahlen zu schreiben statt zu rechnen
Gerne auch noch in der Oberstufe
nicht jedes feinmotorische „Problem“ lässt sich wegtherapieren!

  • wieder Feinmotorik
    das Kind hat eine ausladende Schreibschrift und die Zeilen sind zu „eng“
    dadurch geraten die Worte ineinander und es entsteht ein „Gewusel“, was nur noch schlecht lesbar ist

Möglichkeiten
– das Kind darf immer eine Zeile frei lassen

Warum

das Kind kann seine Aufzeichnungen später noch selber lesen
Korrekturen, auch mehrfache, sind auch in der Zeile drüber möglich
auch fehlende Wörter lassen sich so besser nachträglich einfügen

  • Arbeitsblätter sind zu klein konzipiert oder auf A5 runterkopiert worden
    die Schrift ist zu klein, alles ist unübersichtlich und bei Lückentexten sind die Lücken so klein, dass darin zu schreiben zur Qual wird
    Linien um Begriffe einzutragen fehlen

Möglichkeiten
– nicht verkleinert kopiern
– bei selbsterstellten Arbeitsblättern oder Klassenarbeiten direkt eine Schriftgröße höher wählen und längere Lücken einfügen
– Linien einzeichnen

(ernsthaft, ich habe schon Arbeitsblätter abgetippt oder Arbeitshefte gekauft um dem Problem zu entgehen bei den Hausaufgaben)

Warum

es muss keine zusätzliche Konzentration für den Leseprozess aufgewendet werden, weil sonst alles verschwimmt
Platzproblem ist auch gelöst, siehe Problem in der Feinmotorik

  • mit dem Füller schreiben fällt unheimlich schwer, weil:
    zuviel Druck = Feder krumm
    schlechtes Gefühl beim schreiben durch kratzen auf dem Papier

Möglichkeiten

Rollerpen anbieten / zulassen
ja, auch schon in der Grundschule
nicht mit dem Füller schreiben zu können, führt nicht zum Untergang des Abendlandes
liebe Erwachsene, wann genau nutzt ihr noch Füller?

Warum

die Auswahl des besten Stiftes hat mich gerade bei den Jungs Monate gekostet
ein Stift der gut in der Hand liegt und beim Schreiben nicht stört ist gold wert
wieder, es muss keine Konzentration für „Unwichtiges“ aufgewand werden

  • verschachtelte Sätze als Aufgabenstellung führen zur Verweigerung, da diese zusätzlich über mehrere Zeilen gehen

Möglichkeit
– lange Sätze in mehrere kurze umwandeln, damit das Lesen leichter wird
– in Mathematik auch gerne mal zeigen, wie man zwischen „Anna und Sophie kaufen Äpfel und gehen an zig Geschäften vorbei – wie lang ist der Weg“ den Kern der Aufgabe markieren (TL:DR – na welcher Erwachsener kennt das?)

Warum

Kurze Sätze lassen sich einfacher aufnehmen als zig Kommata und Semikolon
Nebeninfos verwirren und lassen den einfachen Rechenprozess nicht mehr zu

  • Metaphern und Redewendungen
    das Kryptonid meines Jüngsten

Möglichkeit
– Metaphernwörterbuch anlegen

Warum

Metaphern und Redewendungen sind in vielen Fällen weit weg vom üblichen Sprachgebrauch
bildhafte Sprache erzeugt genau das – Bilder
diese haben aber selten etwas mit der Aussage zu tun

Also braucht es Erklärungen was gemeint ist.
In 95% der Fälle ist es mit einer einmaligen Erklärung getan
aber es schadet nichts, wenn man wo nachsehen kann

Im Netz nutze ich dafür zb dies hier. Denn dort werden mehrere Möglichkeiten der Übersetzung angeboten. Denn leider bedeuten ähnliche Metaphern bzw Redewendungen nicht immer das Gleiche.
Es braucht aber auch etwas für den Unterricht.
Warum das so wichtig ist? Hier entlang

Autismus, Visualisierung, wortwörtliches Verstehen und Übersetzungsbücher

Die Musikgruppe „Geier Sturzflug“ hatte um 1983 den Song „Bruttosozialprodukt“ rausgebracht. Im Songtext heisst es
„ja dann wird wieder in die Hände gespuckt wir steigern das Bruttosozialprodukt“

Ich war damals 9 Jahre alt, als ich den Song im Radio hörte. Er wurde x-fach gespielt und wohl wegen der Dauerwiederholung verstand auch ich irgendwann den Songtext. Bis heute habe ich Mühe Songtexte zu verstehen. Deutsche Songtexte klappen mittlerweile gut, englische Songtexte?
Keine Chance.

Nur eine Frage:
wie kann man mit „in die Hände spucken“ den Umsatz steigern?

*Bilder im Kopf, wie Menschen in grossen Industriehallen sich in die Hände spucken und so reich werden*
Auch die Bilder brachten keine Auflösung zu dieser komischen Aussage.

Bis, ja bis eine erwachsene Person das erklärte. Es wäre ein Sprichwort, eine Redewendung, eine Metapher. Man würde damit meinen, jetzt richtig hart zu arbeiten und früher hätten sich Menschen vor Arbeitsbeginn in die Hände gespuckt.
*Bilder* …. Sofort stellt sich ein Ekelgefühl ein.

Alles oben genannte sind wie gesagt nur Beispiele.
Liebe Eltern, ich hätte gerne auch Eure Beispiele und Lösungsmöglichkeiten.

Liebe Schulbegleiter, dass sind so Dinge, die wir Nachmittags leisten.
Wenn ihr andere Dinge im Schulalltag seht, überlegt mal wie man es anders lösen kann und besprecht dass dann mit Lehrkräften UND Eltern.

Darüber lassen sich relativ schnell Lösungen finden, die dann GEMEINSCHAFTLICH etabliert werden können beim jeweiligen autistischen Kind / Jugendlichen.

Manches davon sollte als Nachteilsausgleich definiert werden, damit man mit neuen Lehrkräften nicht immer wieder von vorne beginnen muss.
Solche niederschwelligen Hilfen sind hoch effektiv und mindern die Gefahr des „Delayed after effect“, hier beschrieben von einer Mutter und hier von einem erwachsenen Autisten.

Der „Delayed after effect“ frisst unheimlich viel Energie, die dann überall anders fehlt. Deshalb sollte man sich auch davor hüten, Überforderungsreaktionen zu verharmlosen.

12 Kommentare zu „Was ein Schulbegleiter tun kann und meines Erachtens tun sollte!“

  1. Toller Beitrag. Danke.
    Bei uns ist es Zuhause genauso. Wir suchen nach Lösungen/Wegen um Hausaufgaben zu erledigen. Leider ist dann in der Schule alles anders, da der Schulbegleiter nicht so helfen darf wie er es müsste. Die Schule sieht darin eine Bevorzugung. Resultat: Es kommt eine 5 nach der nächsten nachhause obwohl zuhause die Leistung wesentlich besser ist. Ich glaube die Schule (Gymnasium) möchte sich für unser Kind nicht anstrengen.

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    1. Dabei bräuchten diese sich ja noch nichtmal anstrengen sondern einfach nur die vorhandene Hilfe zulassen und Nachteilsausgleiche gewähren.

      Habt ihr gute Berater, zB Autismusbeauftragte, auf dem Schulamt die an dem Punkt weiterhelfen könnten?

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      1. Die Schule hat sogar eine eigene Autismusbeauftragte, weswegen wir uns anfänglich gut aufgehoben gefühlt haben. Aber es stellte sich schnell heraus das die nette Dame keine große Ahnung hat und dadurch alle sinnvollen Nachteilsausgleiche abgeschmettert wurden. Ich hatte sogar alle Nachteilsausgleiche im Antrag mit Quellenhinweis versehen (z.B mehr Zeit, individuelle Hilfestellung durch den SB, befreiung von Manschaftssportarten etc.). Es wurden nur das zugelassen was die Schule vorgegeben hat. Also eigentlich nur das er Strukturierungshilfen bekommt aber es wurde bis jetzt nur in Mathe umgesetzt. Und da auch nur in der Form das die Lehrerin den Test in einzelne Aufgaben zerschneidet. Und von Gruppenarbeit ist er befreit und er dürfte die Pause im Gebäude verbringen, wenn er möchte. Dabei wäre es am allerwichtigsten das der SB ihm einmal nur den Aufgabentext vorliest. Bei den Hausaufgaben wirkt das Wunder.
        Unser Autismuszentrum ist sehr bemüht aber leider auch nicht perfekt. Aufgrund von Krankheit hat es der Therapeut noch nicht geschafft in die Schule zu kommen. Ich befürchte auch das die Schule sturr bleibt und weiter behauptet das andere Schüler ja auch gerne hilfen hätten. Sieht so die Inklusion aus? Ich würde sogar Geld für einen Experten bezahlen der mal mit der Schule spricht und die Aufklärt. Gibt es so etwas überhaupt? Anwalt oder so?
        Benjamin

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  2. Ich unterrichte als Nachhilfelehrerin teilweise Schüler:innen mit ADHS, meist aber SuS mit nichtdeutscher Muttersprache. Stimme allem zu, was du oben geschrieben hast und setze es auch um – denn eine klare Gestaltung von Arbeitsblättern nützt ALLEN Schüler:innen – je weniger Aufmerksamkeit „verschwendet“ wird durch Unübersichtlichkeit oder Unklarheit, desto besser. Möglichst viele Gehirnkapazitäten für die Aufgaben!

    Was sich weiterhin bewährt hat in der Arbeitsblattgestaltung, ist Gleichmäßigkeit:
    Aufgaben werden immer fett gedruckt und einen Schriftgrad höher gesetzt, danach ein Absatz
    Arbeitsblätter werden immer am Seitenende nummeriert, auch wenn sie nur doppelseitig sind.
    Merksätze etc. immer gleich gestalten – bei mir sind sie grau unterlegt
    Beispiele einrücken und das Wort „Beispiel“ unterstreichen
    Aufgaben werden nicht „verquast“ formuliert, sondern höchstens mit einem Nebensatz. SuS werden in allen Fächern dazu angehalten, sich erst die Aufgabe mit Textmarkern zu erschließen
    Das Arbeitsblatt erhält in der Kopfzeile immer eine Benennung des Themas
    Schriftart ist immer eine Nicht-Serifen-Schrift, bei uns hat sich Arial bewährt in 12-Punkt. Der höhere Schriftgrad erhöht die Lesbarkeit.
    Möglichst wenig Ablenkung – keine „lustigen“ Comic-Zeichnungen, „Erklärungs“-Satzzeichen wie Ausrufezeichen neben einem Absatz sehr sehr sparsam einsetzen, keine Smileys, keine Bildchen. Möglichst „plain text“.

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  3. Danke fuer den Text, da war auch fuer mich als angehende Lehrerin viel interessantes dabei. Ich verstehe manche Lehrer/innen nicht, die auf die originale Aufgabenstellung beharren, obwohl das Wissen eigentlich da ist und einfach anders abgefragt werden könnte.. Ein Junge mit Asperger-Syndrom, den ich in Englisch unterrichtet habe (3. Klasse und er sprach schon fließend Englisch durch englische Videos bei youtube), hatte große Schwierigkeiten mit folgender Aufgabe: Es wurde (Thema Sommerwörter) ein Strand beschrieben und die Kinder sollten den malen. Er hatte aber zuviel Angst davor, dass sein Bild nicht schön genug wird und wollte deshalb nicht. Laut Klassenlehrerin hätte ich drauf bestehen sollen. Ich hab mich dazu entschieden mich mit ihm hinzusetzen und er sagt mir, was ich malen soll. Und nach zwei Minuten wollte er dann doch selbst weitermalen – und das ohne Stress und Machtkampf

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  4. Mein Kind lernt Metaphern ganz bewußt und kognitiv „Mäuse melken“, „durch den Kakao ziehen“, „an der Nase herumführen“, „aus der Nase ziehen“. Und manchmal kombiniert er sie auch oder versucht, selbst welche zu erfinden. Auch ich habe da oft Bilder im Kopf, verarbeite aber mit 34 Jahren mehr Lebenserfahrung sehr viel sehr unbewußt. Wenn man sich dessen bewußt ist, kann man sich auch einen Spaß draus machen, Metaphern zu lernen und zu verwenden. Das heisst aber auch für Eltern und Schulbegleiter, dass sie aktiv nachfragen sollten, ob das Kind die Metapher verstanden hat um sie gegebenenfalls zu erklären. Sie nicht zu erklären, kann möglicherweise ein Kind, das sich nicht traut zu fragen, komplett ratlos hinterlassen.

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    1. Das witzige ist, dass viele Redewendungen nutzen, korrekt und sinnhaft, ohne sie erklären zu können.

      Das zurückführen auf den Ursprung führt zu manch staunenden Gesichtern.

      Und Geduld braucht es halt auch

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  5. Das Wörterbuch für Metaphern und Redewendungen halte ich für eine gute Idee. Metaphern und Redewendungen könnten in Texten auch markiert werden (in “ “ setzen, unterstrichen oder kursiv), wenn dies den Lesefluss nicht stört. Den autistischen SchülerInnen dann diese Besonderheit erklären. Auf Twitter wird gerne (RW) genutzt, um darauf aufmerksam zu machen, dass eine Redewendung benutzt wird.

    Es gibt durchaus einige AutistInnen, die gelernt haben, diese Art des Ausdrucks zu verstehen und zu nutzen. Aber zum einen brauchen sie dafür jemanden, der für sie „dechiffriert“, zum anderen erfolgt – zumindest bei mir – die Übersetzung von Metapher oder Redewendung nicht automatisch.

    Ich sehe das entsprechende Bild, nehmen wir mal den Menschen, der „mit den Hühnern schlafen geht“, frage mich, ob die Hühner wohl im Bett schlafen oder der Mensch auf einer Stange im Hühnerstall, erinnere mich daran, dass das ja eine Redewendung ist, und überlege dann, was die denn aussagen soll und in welchem Bezug sie zur Situation steht, in der sie geäußert wurde.

    Und das passiert auch alles nur, wenn ich diese bestimmte Redewendung kenne oder als solche wahrnehme. Ist es dann noch eine, die (für mich) schlichtweg keinen Sinn ergibt oder negative Bilder erzeugt, blockiert sie mein Denken.

    So ist das berühmte „Brett vor dem Kopf“ für mich eine schmerzhafte Vorstellung, „auf heißen Kohlen sitzen“ erst recht, und der Hund in der Pfanne tut mir furchtbar leid. Kein Wunder, dass der verrückt wird.

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  6. Sprichwörter, Redewendungen und auch erzählte Witze sind für viele Autisten oft nur schwer zu erfassen, weil die (eigene) Logik die sinngemäße Übertragung häufig nicht zulässt, bzw. sich der „Sinn“ dahinter nicht gänzlich erschließt.

    Ein Beispiel: in der Grundschule habe ich zum ersten Mal folgenden Witz gehört: „Treffen sich zwei Jäger im Wald – beide tot.“ Ich habe wirklich nicht verstanden, warum das lustig sein und worin der Witz liegen soll. Es kam mir einfach nur dämlich und sinnlos vor. Bis mir irgendwann jemand erklärt hat, dass das ja Jäger sind, die Gewehre haben und dass mit „treffen“ gemeint ist, dass sie (vermutlich versehentlich) aufeinander geschossen haben.

    Ja, woher sollte ich das denn bitte wissen?! Von Gewehren war doch überhaupt nicht die Rede in dem Witz! „Sich treffen“, das war für mich „einander begegnen“. Nicht mehr und nicht weniger.

    Hinzu kam dann noch der Umstand, dass ich an zwei Toten nichts lustig finden konnte und den „Witzgehalt“ an sich hinterfragt habe. Dennoch habe ich den Witz natürlich bei der nächsten Gelegenheit sofort verwendet. Einfach nur, weil ich ihn endlich verstanden hatte und „dazu gehören“ wollte.

    Ein weiterer Nebeneffekt aus solchen und ähnlichen Begebenheiten war übrigens, dass ich fortan hinter allem verstärkt die versteckte Bedeutung gesucht habe und misstrauischer gegenüber den Aussagen anderer wurde. Selbst dann, wenn etwas wirklich gut oder lieb gemeint war. Der Preis für diese erhöhte Aufmerksamkeit ist hoch. In vielerlei Hinsicht.

    Deshalb wünsche ich mir, dass sich Menschen, die mit Autisten arbeiten (Stichwort „Schulbegleiter“), dafür sensibilisieren und hieran zurückdenken, wenn ihnen solche Situationen im Alltag begegnen.

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