Schonraum

Wenn man autistische Kinder hat und Hilfen in Anspruch nimmt stehen einem immer Menschen mit Erwartungshaltung gegenüber.

Während ein normalentwickeltes Kind durchaus schonmal was nicht können darf und Zeit zugebilligt bekommt; muss ein autistisches Kind gemäß HilfePlanGespräch und der Zielvereinbarung schnellstmöglich seine Schwierigkeiten in den Griff bekommen.

Wenn ich als Mutter dann sage, dass Autismus eine Entwicklungsverzögerung ist und vieles einfach länger dauert, dann denkt das Gegenüber anscheinend, dass ich das jeweilige meiner Kinder in Watte packen wolle.
Dies scheint insgesamt eine verbreitete Annahme zu sein, dass wir Eltern um unsere Kinder einen so starken Schonraum errichten wollen, dass diese nichts mehr leisten müssen.
Woraus das Gegenüber das schließt ist mir unbegreiflich.

Meine Kinder sind, bis auf den Kleinsten, erst in der Teenagerzeit diagnostiziert worden und haben sich bis dahin durchgekämpft. Haben Mobbing erlitten. Der Älteste hat sich, trotz aller Widrigkeiten, einen sehr guten Schulabschluss erarbeitet. Nachteilsausgleiche gab und gibt es kaum.
Ist das Schonraum?

Im häuslichen Bereich packen sie mit an und ich „darf“ auch mal krank werden, denn die üblichen Hausarbeiten beherrschen die Großen und auch der Kleine sehr gut.
Ist das Schonraum?

Ja, sie haben Punkte wo sie Unterstützung brauchen und der Zwerg benötigt Nachteilsausgleiche (Ausgleich von Nachteilen durch die Behinderung!).
Aber das ist doch kein Schonraum!

Sie brauchen Zeit und Ruhe. Die versuchen wir zu ermöglichen, soweit das in einem Haushalt mit vier Kindern, vier unterschiedlichen Stundenplänen, Therapie und anderen „Kleinigkeiten“ möglich ist.
Das ist kein Schonraum, sondern notwendig!

Manche nennen den Schonraum auch Komfortzone. Und bei diesem Wort beschleicht mich Übelkeit.

Der Alltag der Kinder im deutschen Schulsystem ist hart.
Die sozialen Anforderungen generell sind hoch.
Es wird viel erwartet, vor allem, dass sie in der Regelzeit die Schule schaffen und zusätzlich noch all die sozialen Fertigkeiten, die Mitschüler scheinbar „von alleine“ können, erlernen und umsetzen.
Eine neue Fremdsprache ist allerdings leichter zu erlernen, weil diese festen Regeln folgt.
Soziales Miteinander ist jeden Tag anders.
In der Pubertät werden die mühsam erlernten Regeln täglich erneuert.

Dann von Schonraum oder Komfortzone zu sprechen, wenn man darum bittet, dass den Kinder Zeit gelassen wird, grenzt an Zynismus.

 

2 Kommentare zu „Schonraum“

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