von „Das autistische Chamäleon“
(ich wurde gebeten hier keinen Link zu setzen, um die Anonymität zu sichern)
Ich bin Autist. Dies äußert sich bei mir, neben unzähligen anderen Dingen, gelegentlich auch in Form einer „naiven Offenherzigkeit“ gegenüber Menschen, die ich mag (oder zumindest schätze). Es ist Teil meiner Persönlichkeit und meiner Behinderung zugleich; und nichts, wofür ich mich schämen SOLLTE. Denn es gehört zu der Art, wie ich (selektiv!) kommuniziere: offen, fragend, aufrichtig – gelegentlich auch besorgt – und dabei doch stets um den richtigen „Takt“ bemüht. Aber leider empfinden manche Menschen als anstrengend (oder gar störend), was sie in Wahrheit als höchste „Auszeichnung“ betrachten sollten, die ihnen von mir zuteil werden kann: mein echtes Interesse an ihnen als Mensch.
Doch dass dies leider nur die Allerwenigsten verstehen, ist mir überdeutlich bewusst. Denn ich habe es im Laufe der letzten 38 Jahre auf die harte Tour lernen müssen. Tatsächlich wurde und wird es mir immer wieder „an den Kopf geworfen“ (Redewendung), so lange ich zurückdenken kann. Und doch kommt es für mich jedes einzelne Mal wieder aus dem Nichts, wie ein Hammer.
Es ist wirklich verdammt schwer, sich so anzunehmen, wie man ist, wenn man sein Leben lang immer wieder abgelehnt, missverstanden und von Personen weggestoßen wurde und wird, die man ehrlich leiden konnte. Personen, denen man mit nichts als Aufrichtigkeit und Freundlichkeit begegnet ist. Es sollte mich eigentlich nicht mehr überraschen, oder gar kränken. Aber das tut es immer noch jedes Mal aufs Neue, wenn ich auf diese Weise behandelt werde.
Doch um es ganz klar zu sagen: es ist NICHT meine Schuld, wenn andere damit nicht zurechtkommen. Wer meint, mich deshalb meiden zu müssen, der muss das tun. Es ist seine freie Entscheidung. – Zugleich ist es aber auch eine Form der Ausgrenzung, die viel zu oft übersehen wird, da Autisten wie ich deshalb selten „ein Fass aufmachen“ (Redewendung) und nach außen häufig sehr souverän und unbeeindruckt wirken. Innen sieht es jedoch häufig ganz anders aus.
Es ist eine Form der Behindertenfeindlichkeit, die kaum bis gar nicht als solche wahrgenommen wird. Weil sie eher passiv als aktiv ausgeübt wird und sich die „Täter“ ihrer „Taten“ oftmals überhaupt nicht wirklich bewusst sind. Schon deshalb nicht, weil sie nicht wissen, wie oft es uns zuvor schon passiert ist und wie oft wir uns schon selbst die Schuld dafür gegeben haben. Ein stilles, unsichtbares „Mobbing“, dass sich schleichend einen Weg ins Unterbewusstsein – und schließlich auch ins Selbstbewusstsein bahnt. Nebenbei führt es oft dazu, dass man „gefallen“ und möglichst nicht anecken möchte. Selbst dann nicht, wenn es wirklich angebracht wäre. Auch, weil irgendwann schlicht die Kraftreserven dafür fehlen.
Deshalb wollte ich dieses Thema einfach mal offen ansprechen. Nicht bloß für mich selbst, sondern für alle, die ähnliche Erfahrungen gesammelt haben und dieses Gefühl vielleicht nicht so ganz in Worte fassen können. Das Gefühl, dass die Schuld irgendwie wohl doch bei einem selbst liegen muss, wenn es häufiger passiert… STOP.
Hört mir gut zu: das tut sie nicht. Ihr seid so wenig „schuld“ daran, wie ihr „gebaut“ seid, wie eine Katze schuld daran ist, eine Maus fangen zu wollen. Ihr seid völlig in Ordnung so, wie ihr seid! Ihr seid behindert. Genau wie ich. Und auch, wenn das für andere manchmal anstrengend sein mag, so seid ihr doch meist viel einfühlsamer und emphatischer, als jene Menschen, die nicht bemerken, dass ihr selbst ohnehin eure größten Kritiker seid. Und dass ihr eure Zuneigung zwar vielleicht manchmal etwas „unkonventionell“ (in Relation zur allgemeinen „Norm“) ausdrücken mögt, diese aber viel aufrichtiger und ehrlicher ist, als es manch anderer überhaupt in der Lage ist zu begreifen.
Und allen anderen sei an dieser Stelle noch dies hier mit auf den Weg gegeben: Es gibt Autisten, die so offensichtlich autistisch sind, dass man es ihnen schlicht nicht anmerkt. – Es sei denn, man ist für das Thema sensibilisiert und lernt, die Zeichen richtig zu deuten.