Es schadet ja nicht… Doch!

Wie oft habe ich es schon gelesen, dass es ja nicht schade, wenn Autismus, autistisch und/oder Autist als Metapher oder als Witz genutzt wird (Argument vieler NichtautistInnen).
Oder das es toll ist, dass Autismus endlich in Filmen und Serien dargestellt wird und Autismus endlich aus der Tabuzone geholt wird (Argument vieler Eltern autistischer Kinder).

Ebenso all die Artikel in den Zeitungen, die Autismus als tiefes Leid definieren. Meist allerdings, dass die Eltern leiden.
Oder Blogs und Facebookseiten, die entweder uninformiert oder recht seicht über Autismus und „Hilfen“ berichten und zum Teil sogar Kommentatoren wild rumspekulieren oder weitere Fehlinformationen verbreiten lassen und nicht widersprechen (gut gemeint ist selten gut gemacht).

Glaubt eigentlich irgendwer wirklich, dass das alles ohne Folgen bleibt?

Oder hinterlässt es doch Eindrücke, die sich immer tiefer in das Gedächtnis der Allgemeinbevölkerung einschleifen?

Schauen wir doch mal genauer hin.

  • Witze

Was machen eigentlich Autisten in so einem Moment?
Was löst das aus?

  • Metaphern

Selbst Politiker nutzen es mittlerweile sinnfrei ohne sich auch nur im mindesten einer Schuld bewusst zu sein. Und zwar quer durch alle Parteien. Prominentestes Beispiel Thomas de Maizière, damals noch in der Funktion als Bundesinnenminister. Hier ein sehr guter Blogbeitrag dazu. Es gab im übrigen NIE eine wie auch immer geartete Entschuldigung von ihm.

  • Filme und Serien

Die Bloggerin Elodiy-la-curious hat sich die Mühe gemacht und einige Serien und Dokus angesehen.
Ihre kritische Auseinandersetzung ist lesenswert.
Wie die Außenwirkung bzw. die Erwartungshaltung ist, habe ich versucht hier zu erklären.

Hier noch ein besonders empfehlenswerte Artikel zu der Thematik, den dankenswerter Weise eine Autistin geschrieben hat.

Was auffällig ist, wer bei solchen Produktionen die Beratung übernimmt oder Kontakte vermittelt. Es sind jene Vereine, die sich einen großen Namen gemacht haben aber denen die Selbstvertretung durch AutistInnen nicht am Herzen liegt. Weder Autism Speaks noch Autismus Deutschland sind bekannt dafür, dass AutistInnen dort ihre eigene Meinung unverfälscht äußern dürfen.

Selten kommen AutistInnen selber zu Wort.
Wenn sie sich trotzdem äußern oder zur Wehr setzen, wird hinterfragt, ob sie denn wirklich autistisch seien. Oder es wird die Diagnosestelle in Frage gestellt.

 

  • Zeitungsartikel

die zwar direkten Bezug zu Autismus haben und zum Teil Interviews mit führenden „Fach“leuten enthalten, die aber seltenst differenziert informieren.

Von der „Autismus-Ursache der Woche“ über falschen Zahlen zur Intelligenz bzw. zu geistiger Behinderung bei AutistInnen und mehr als den bekannten (frühkindlicher Autismus, Asperger Autismus und atypischer Autismus – mit dem DSM-V ist das obsolet) Autismusformen, bis dahin dass eine Komplett-Heilung nicht möglich sei, ist alles dabei.
Einen solchen Artikel hatte ich hier mal genauer beleuchtet.

Da wird mal von Kernschmelze berichtet oder von Ausrastern. Meist um Therapien zu promoten. Allen voran natürlich ABA oder etwas das darauf basiert.

Oder um irgendeine andere Methode zu bewerben. Mela Eckenfels hat dazu auf dem 3. Fachtag von Autismus Rosenheim e.V. 2018 den sehr guten Vortrag Goldesel gehalten.

  • Blogs/Facebookseiten mit seltsamen Informationen und Tipps

In manchen Blogartikeln kommen Eltern zu Wort, die beschreiben, wie sie mit ihren Kindern so umgehen. Da wird auch mal von „Aushalten lernen“ erzählt. Die Bloggerin Butterblumenland hat sich dazu dankenswerter Weise schon geäußert.

Und all die Diätempfehlungen und Therapievorschläge die dort zu finden sind. Ich kann wirklich nur noch mal empfehlen die Folien von Mela Eckenfels genau zu lesen.

Zum Teil wird AutistInnen auch direkt von Eltern mitgeteilt, dass sie doch bitte IMMER beide Seiten beachten MÜSSEN.

Bitte, wenn ihr nicht im Thema seit, recherchiert gründlich.
Falls ihr das nicht leisten könnt oder wollt, dann lasst es direkt.
Und ja, es ist WICHTIG hier genau zu sein.
Ebenfalls ist es wichtig Kommentatoren entgegen zu treten und eine klare Haltung zu haben. Everybodys Darling sein zu wollen hilft AutistInnen und autistischen Kindern NICHT.

Wenn zum Beispiel jemand davon spricht bei sich selbst auch autistische Züge zu sehen und damit Autismus verharmlost, ist Widerspruch wichtig.
(Hier ein sehr lesenswerter Blogartikel der verstorbenen Sabine Kiefner und dasfotobus hat sich hier damit auseinandergesetzt wo Unterschiede zu finden sind.)
Oder dem Autismus falsche Dinge zugeordnet werden.
Und bei all den oben genannten Beispielen.

Widerspruch ist wichtig.

Denn all das oben genannte schadet – und zwar massiv.

 

Update 08.12.18 22:20Uhr

Ich hätte da noch was zu den Filmen und Serien zu sagen.

The Good Doctor läuft ja schon etwas länger auf Netflix und demnächst auf Vox.
Selbstverständlich schauen auch Jugendliche das.
Und, oh Wunder, sie vergleichen diese Figur mit ihnen bekannten autistischen Jugendlichen.
Weil … „das ist ja ungewöhnlich – da muss man ja genauer hinsehen“.

Und schwupps, schon ist es soweit, der autistische Savant in The Good Doctor ist so verschroben, dass jetzt Jugendliche hingehen und die Diagnosen von den ihnen bekannten autistischen Jugendlichen in Frage stellen. Schließlich sind diese ja nicht wie die Figur im Film.

Sag mir nochmal einer, es wäre alles schön und wundertoll und würde keine Probleme bereiten oder gar Schaden anrichten.

Ein Gedanke zu „Es schadet ja nicht… Doch!“

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