So wird es bei uns genannt, wenn eins unserer Kinder voller Eindrücke/Gedanken und Freude oder Wut oder Enttäuschung vor uns steht und uns quasi „zu Tode“ (RW) redet.
Dies geschieht oft wenn es gilt die Gedanken (die in Massen vorhanden sind) zu sortieren und auch um einen drohenden Overload zu verhindern oder abzumildern.
Das Kopfchaos – so sieht es zumindest für mich aus – wird dadurch etwas strukturiert und es wirkt wie eine Entladung.
So ganz falsch scheint mein Eindruck nicht zu sein, wenn ich auf die Reaktionen von AutistInnen schaue.
und es scheint sich nicht auf Autismus zu beschränken
Oft wird von Eltern autistischer Kinder dieser „Sprechdurchfall“ aber als Kommunikationswunsch miss(t)verstanden.
Beispiel,
unser Jüngster kommt aus der Schule raus zum Auto und quasselt in einer Tour, fällt jedem ins Wort, lässt niemanden ausreden und quasselt und quasselt und es kommt wirklich ALLES zur Sprache, was grad in seinem Kopf vorgeht.
Nachfragen führen zu Geschrei, Vermittlungsversuche ebenfalls.
Es gibt keinen Weg, dazwischen zu kommen.
Konstruktive Vorschläge werden NICHT wahrgenommen.
Bei der Jüngsten kann dieses Verhalten schlagartig in Erstarrung und verstummen umschwenken. Die dann auf Nachfrage anfängt zu kreischen oder der still die Tränen über das Gesicht laufen.
Auch hier, keine Chance auf einen Dialog.
Unser Ältester schafft es in solchen Momenten auch Dinge der letzten 15 Jahre wieder hoch zu holen. Vollkommen zusammenhanglos in den Ohren der Zuhörer aber irgendwo gibt es eine klitzekleine Verknüpfung zu dem aktuellen Thema.
Er erwartet dann, dass das Gegenüber sofort weiß, wovon die Rede ist und dann sofort im Thema ist.
In seltenen Fällen werden Antworten erwartet. Aber nur, um direkt danach weiter zu reden.
Am liebsten wäre meinen Kindern, sie könnten in solchen Momenten alles für die nächsten 100 Jahre festlegen und sortieren.
Leider kamen unsere ehemaligen Therapeuten in solchen Momenten auf die Idee, dass meine Kinder ja eine Kommunikationsebene anbieten würden.
Das änderte sich aber schlagartig, als sie merkten, dass sie keinen Zuhörer vorfanden sondern nur jemand der monologisierend seine Welt zu ordnen versuchte.
Es ist nicht (immer) einfach, nur zuzuhören und alle gelieferten Informationen zu verarbeiten und vor allem sich zu merken!
Aber es ist wichtig.
Denn meist bekommt man diese Informationen kein zweites Mal geliefert und sollte sie in einem ruhigen Moment besprechen können oder beim nächsten Sprechdurchfall (wenn auf alte Themen zurückgekommen wird) parat haben.
Eins ist Sprechdurchfall jedenfalls nicht. Es ist keine Aufforderung zu einem echten Dialog.
Das geht mir auch oft so. Und ist mir sehr unangenehm. Hilfreich wäre eine freundliche Unterbrechung …aber die bekomme ich höchstens von Twen, die das mit dem quasdeln auch gut kann. Unser Zauberwort: bitte Ohrenpause 🙂
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Ich habe auch ab und zu mal Phasen, wo ich regelrechte Vorträge halten kann über ein Thema, das mich in dem Moment extrem beschäftigt. Mein(e) Zuhörer steigen dann irgendwann gedanklich aus oder sagen, dass sie das gerade so genau nicht interessiert oder, dass sie das schon längst abgehakt hatten. Ich habe noch keinen Weg gefunden, diese ungefragten Vorträge wirksam zu verhindern. Oder ich wende in Gedanken einen Sachverhalt gefühlte tausend Mal hin und her und denke dabei laut. Wenn dabei Fragen auftauchen, stelle ich die dann meinen Mitmenschen inklusive aller bereits getroffenen Abwägungen. Andererseits ist da „Tante Google“ oftmals eine größere Hilfe als diese. Von den Leuten kommt nämlich oft: „Das weiß ich nicht.“ Oder bestenfalls: „Frage Person XY. Die hat so etwas schon gemacht.“ Wenn diese Person nicht direkt erreichbar ist, schwierig. Außerdem trifft die Erfahrung dieser Person wahrscheinlich nicht exakt mein Problem. Oder die Leute haben gerade keine Zeit oder Nerven dafür, sich mit meinen ausführlichen Erläuterungen zum Problem zu befassen. Umgekehrt bin ich nach interessanten Vorträgen so abgefüllt mit Informationen, dass ich im Anschluss direkt keine Fragen stellen kann. Bis ich das kann, ist die Zeit zum Fragen stellen schon vorbei. Am besten schreibe ich mir in so einem Fall Fragen auf, die ich unbedingt stellen will. Bezieht es sich auf eine Predigt, ist von Vorteil, wenn es im Anschluss an den Gottesdienst Kirchenkaffee gibt. Bis der letzte gegangen ist, habe ich die Predigt verarbeitet. Oder eben auch sonst, wenn es hinterher noch etwas zu essen gibt und man nicht direkt auseinander läuft.
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Ein Overload ist nicht unsichtbar
Nachfolgendes ist nicht allgemein verfänglich, soll aber als Beispiel dienen, auf welche Signale mitunter (unbewusst) abgesetzt werden können.
ES gibt durchaus Anzeichen, aber nicht wie man sich diesem allgemein vorstellt: sie sind subtiler.
Erste Anzeichen/Überlastungsanzeichen können sein:
– Sekundenaussetzer
sehen von außen betrachtet nach Tagträumen oder Aufmerksamkeitsverlust aus, Ärzte vermuten auch gerne kleine epileptischen Anfälle und reagieren mit Neuraleptika, was in diesem Fall kontraproduktiv ist, da das Gehirn dann noch langsamer arbeitet und noch weniger „hinterher kommt“ mit dem Abarbeiten des Dateneinflussen, der bleibt bei Neuraleptika nämlich gleich.
Diese „Aussetzer“ kann man vergleichen mit einem Computer, zu viele Anwedungen parallel: der Computer „hängt“. Beim Computer wird man auch gefragt, ob man warten möchten bis die Anwendung wieder funktioniert. Sinnbildlich sollte man bei Autisten auch hier „warten“ anklicken und in Stille abwarten bis das System wieder reagiert, statt zusätliche Anwendungen zu starten.
-Grimassen/Gestik
Diese Grimassen/Gestiken sind sehr subtil und auch sehr individuell:
reicht von Zunge herausstrecken (bleep), über grimmiges Gesicht, bestimmte Körperhaltungen (manche muten fast wie Yoga an),…
-Verbale Kommunikation:
Man kann es bei manchen testen: wiederholen von gesagtem in leicht verändertem Ausführungen. Funktioniert auch bei nonverbalen Kindern, hier ist jedoch exakt auf die (teilweise sehr kurzen) Körperreaktionen zu achten
Z.B.
Ein großer Baum mit grünen Blättern und brauner Rinde
Ein großer Baum mit roten Blättern und brauner Rinde
Ein großer Baum mit grünen Blättern und braunen Rinden
…
Andere Varianten: nachfragen. Oftmals erhält man dann eine sehr „pampige“ Antwort. Erklärung, man ist froh die Information eigentlich abgesetzt zu haben und dann kommt sie wieder, den Wiedereinzug will man aber eben vermeiden. Beispielsätze hierfür: „kannst du dir gar nicht merken“, „hab ich doch erklärt/gesagt“, „hör besser zu“ oftmals leicht aggressiv
Wir neigen dazu neue Informationen mit gespeicherten Informationen abzugleichen. Fehler zu gespeicherten Informationen werden im normalem Arbeitsablauf sofort entdeckt und korrigiert.
Wenn dies nicht erfolgt, arbeitet das Gehirn schon im Überlastungsbereich: es kann die Fehler entweder nur stark Zeit verzögert oder gar nicht mehr erkennen.
Oftmals erscheinen einige nach außen hin aggressiv. Es ist aber keine Aggression, es ist Hilflosigkeit. Wir merken unser System läuft nicht, aber viele von uns können sich den Belastungen nicht mehr entziehen oder haben dies nicht gelernt. Dementsprechend ist jede Art von Neuinformation zusätzliche Belastung:
zurück zum Computer, Neuinformationen sind wie ein „hängendes“ Computersystem, bei dem man, trotzdem das es hängt, weitere Anwendungen öffnet.
Das letzte Abwehrprogramm das uns bleibt leitet sich aus dem „fight & flight“. Da viele von uns „Flight“ nicht können oder gelernt haben bleibt nur noch „fight“. Kennzeichnen hierfür sind ganz umgängliche Aussagen wie „zu laut, Schnauze/Fresse halten, verzieh dich, aber auch Beleidigungen, aber nicht um zu beleidigen als solches, aber auch wir verstehen, Menschen reagieren teilweise auf Beleidungen mit beleidigt sein und Rückzug. Rückzug bedeutet weg von uns und damit Ruhe. Bei Hunden würde man sagen „verbellen“.
Fälschlicherweise wollen wir eigentlich gar nicht einsam sein in diesen Situationen, aber wenn NTs in diesen Situationen belastend wirken, ziehen wir doch die Einsamkeit vor und vertreiben lieber störende Faktoren, die als Zusatztrigger agieren.
-Sprechen: Geschwindigkeit & Wörter
zu schnelles oder zu langsames Sprechen.
Bei zu schnellem Sprechen ist das System kurz vor dem „Hängen“. Wir versuchen uns zu entlasten und erzählen alles, was im Kopf schwirrt und nicht abgespeichert werden kann. Wir wollen nicht keinen Dialog. Wir wollen Informationen absetzen. Jede Information, die abgesetzt wurde verschwindet aus dem Arbeitsspeicher, es wirkt entlastend. Oft arbeitet das Gehirn auch schneller als man sprechen kann, die Folgen,
es verschwinden Wörter, Beispiele:
normal: XY hat die Tür geöffnet
stress: hat die Tür geöffnet, XY die Tür geöffnet
es kommt zu Wortverwechslungen:
normal: XY hat die Tür geöffnet
stress: XY hat die Tüte geöffnet, XY hat die Türe geöffentlicht
normal: wir müssen Blumen gießen
stress: wir müssen Blumen tanken/überschwemmen/tränken
Bei zu langsamen Sprechen ist das System am ganz kurz vor dem „hängen“. Der Arbeitsspeicher hat Mühe Ressourcen für die Kommunikation bereitzustellen. Die typische abgehakte, montone Sprechweise tritt zu Tage. Bei „HFA“ ist es schwieriger oftmals können sie gut kompensieren und NTs gewinnen den Eindruck man würde eine „bedächtige Ansprache“ halten
-Augen
In der Entwicklungsphase verkleinern sich die Pupillen, das Gehirn versucht die Einströmmenge zu reduzieren (Stecknadelkopf)
Kurz vor und während des Overloads (auch Meltdown) sind die Pupillen vergrößert. Unser Körper wurde neurochemisch in nicht mal einer Sekunde auf „fight & flight“ umgestellt. Große Pupillen entstehen um im nichts „gefährliches“ zu übersehen, der Nachteil, der visuelle Informationfluss steigt Sprunghaft an
In der Entwicklungsphase: sehr viele Sakkaden. Die Augen springen. Ein ruhiger Autist versucht bei intuitiv zu kontrollieren was er sieht. Wir können die einströmende Datenmenge, das wie viel, nicht regulieren: viel bleibt viel. Aber wir können das „was“ beeinflussen. Intuitiv werden somit Objekt in den Fokus genommen, die keine neuen Informationen oder kalkulierbare Informationen liefern. Gleiches gilt für das „den Blick leer schweifen lassen“. Man verstellt bewusst den Blickwinkel auf „Fernsicht“ oder Hindergrundbetrachtung, die Details verschwinden. Wenig Details = weniger Daten zu bearbeiten. Das ist jedoch ein bewusster Vorgang, der erfordert, das zum einen noch genügend Kapazitäten vorhanden sind und zum anderen das Bewusstsein vorhanden ist, zu erkennen, auf welchen Arbeitslevel sich der Arbeitsspeicher befindet.
– Haut
Unsere Körper bauen Stress auf. Ähnlich dem von eNTchen. Allerdings sind unsere Neurotransmitter-Level teilweise sehr viel höher. Auch NTs, die schon mal einen Schock hatten, kennen sicher das Gefühl, das einem kalt wird, die Haut kalt wird. Biologisch liegt es daran, das die Neurotransmitter, das Blut in die Kernbereiche umleiten, die Durchblutung der Außenbereiche wird reduziert, die Haut wird kalt, das biologische System ist bereit für „fight or flight“
Andere Möglichkeit ist Jucken & Kratzen. Die Neurotransmitter überlasten das System für „spüren“, es kommt zu Fehlinformationen z.B. unbegründetes Jucken. Kann den ganzen Körper betreffen oder auch nur bestimmte Stellen.
Hören:
Eine weitere Testmöglichkeit ist das Lieblingslied. Im Overload hört es sich furchtbar an, tut weh. Auch nonverbale Kindern (vorausgesetzt sie verstehen die Technik), schalten dann das Lied selbst aus.
Riechen:
Aussagen zu Hause wie „riechst du das“ können Hinweise sein. Man registriert auf einmal in bekanntem Umfeld Dinge, die vorher unsere Wahrnehmungsfilter „in Teilzeit“, ausgeblendet haben. Es sind keine Halluzinationen, die Gerüche sind sonst auch da, nur das sie aktuell nicht gefiltert werden.
Bewegungsdrang:
Unruhe: Im Kreislaufen, Springen,… Der Körper setzt Energie frei und die will umgesetzt werden
Suchen:
Unter Stress habe ich jedes Mal Ostern – ich suche ständig, alles. Das Kurzzeitgedächtnis ist voll.
Starre/verharren:
Der Körper hat auf eine Taktik gesetzt, die auch sehr alt ist. Im übertragenen Sinne „sich tot stellen, vielleicht zieht es an uns vorbei ohne uns zu entdecken“. Dieser Modus ist der schlimmste für uns, das wir keine Möglichkeit mehr haben anzuzeigen oder zu reagieren. Wenn man ganz liebe eNTchen um sich herum hat, sind das die Momente wo sie einen liebevoll beschützen: abdunkeln, Decke überwerfen, versuchen abzuschirmen
Eine wichtige Information:
Was ist ein Overload?
Overload ist „fight & flight“. Unsere Systeme arbeiten auf 3 Weisen anders als die von NTs.
1. Die Einflussmenge an Informationen ist wesentlich höher als die von NTs. Die Informationen hierzu variieren und reichen von der 2-fachen bis zur 20-fachen Datenmenge „je Sekunde“.
2. Die Verarbeitung ist anders. NTs sortieren Daten nach „Ähnlichkeit“: Ist grün, hat Blätter und einen Stamm = ein Baum.
Menschen aus dem Spektrum verarbeiten: Welche Laubform, welche Rinde, welche Wachstumsart, welche Blattform, welche Blattfarbe,… = amerikanische Eiche. Wir vergleichen nach Exaktheit, dementsprechend dauert die exakte Zuordnung länger. DA wir nicht nach Ähnlichkeiten sortieren, müssen wir auch für alles, was eben nicht exakt zugeordnet werden kann neue Datensätze anlegen. Mein Lieblingsbeispiel:
http://www.asperger-wahrnehmung.de/alltag-sahne.php
3. Manche Informationskanäle sind bei uns sehr stark, manche sehr schwach ausgeprägt. Wichtig gerade bei Kindern die Hyposensibel sind gegen Schmerz. Sie können sich ernsthaft verletzen, ohne es zu registrieren. Und wenn sie dann Schmerzen haben wirken diese wie ein unerträglicher Trigger, da man sie ja „nicht kennt“
Alle Menschen, auch „NTs“ reagieren unter Stress mit „fight & flight“. Manche mehr mit „fight“ andere mehr mit „flight“. Manche sehr intensiv andere eher schwach. Viele kennen unter Stress das Gefühl von Übelkeit, man muss dringend auf die Toilette, das ist das NT-Level. Das Spektrum-Level fängt oftmals hier erst an. Unser Körper geht oft direkt in den Modus über, das er die Eigenwahrnehmung verliert: Kein Hunger, kein Schmerz, kein Durst, ….
Gerade Kinder laufen vermehrt weg, das der „Fight-Modus“ noch nicht sehr präsent ist.
Das System ist alt & instinktiv. Wenn es mal gestartet hat, kann es nicht willkürlich beendet sondern muss durchlaufen werden. Bei uns aktiviert sich dieses System viel schneller und häufiger. Wir können nicht „weniger“ und wir können es „nicht stoppen“. Aber man kann es verhindern, indem man verhindert das es „anspringt“
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